Immobilienfinanzierung: Die besten Strategien im Zinsumfeld 2023

Immobilienfinanzierung: Die besten Strategien im Zinsumfeld 2023

Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Situation für Immobilienfinanzierer dramatisch verändert: Statt Zinsen von unter einem Prozent müssen Kreditnehmer heute mehr als das Dreifache bezahlen. Diese Entwicklung stellt viele Kaufinteressenten vor neue Herausforderungen. Welche Finanzierungsstrategien sind in diesem veränderten Umfeld sinnvoll? Wie können Sie trotz höherer Zinsen eine solide und tragfähige Finanzierung sicherstellen? Dieser Artikel gibt Antworten und zeigt praktische Wege auf.

Das veränderte Zinsumfeld: Eine neue Realität

Seit Anfang 2022 haben wir einen historischen Zinsanstieg erlebt. Die Bauzinsen für zehnjährige Darlehen sind von etwa 0,8% auf zeitweise über 4% gestiegen – ein Niveau, das wir zuletzt vor mehr als zehn Jahren gesehen haben. Diese Entwicklung hat die monatliche Belastung für Kreditnehmer erheblich erhöht:

  • Bei einem Darlehen von 300.000 € mit 2% Tilgung bedeutet der Zinsanstieg eine Mehrbelastung von etwa 800 € monatlich
  • Die Gesamtkosten über die Laufzeit eines typischen Kredits können um mehr als 100.000 € steigen
  • Die Finanzierungsspielräume haben sich im Durchschnitt um 25-30% reduziert

Experten gehen davon aus, dass wir uns mittelfristig auf einem Zinsniveau zwischen 3% und 4% einpendeln werden. Eine Rückkehr zu den extrem niedrigen Zinsen der vergangenen Jahre ist unwahrscheinlich. Wer eine Immobilienfinanzierung plant, muss sich auf diese neue Normalität einstellen.

"Die Zeit der historisch niedrigen Zinsen ist definitiv vorbei. Aber das aktuelle Niveau ist aus historischer Sicht immer noch moderat. Es erfordert jedoch eine deutlich sorgfältigere Planung der Finanzierung." - Prof. Dr. Michael Voigtländer, Institut der deutschen Wirtschaft Köln

Strategie 1: Mehr Eigenkapital einsetzen

In Zeiten höherer Zinsen gewinnt der Eigenkapitaleinsatz noch mehr an Bedeutung. Je mehr eigene Mittel Sie in die Finanzierung einbringen können, desto besser sind Ihre Konditionen und desto tragfähiger wird Ihre Finanzierung.

Vorteile eines hohen Eigenkapitaleinsatzes:

  • Bessere Zinssätze: Bei einer Finanzierung mit 30% oder mehr Eigenkapital erhalten Sie typischerweise um 0,3-0,5 Prozentpunkte günstigere Zinsen
  • Geringere monatliche Belastung: Jeder Euro Eigenkapital reduziert den Kreditbedarf und damit die monatliche Rate
  • Höhere Sicherheit: Ein größeres Eigenkapitalpolster reduziert das Risiko einer Überschuldung bei Preisrückgängen

Für viele Käufer lohnt es sich, den Immobilienkauf um einige Jahre zu verschieben, um mehr Eigenkapital anzusparen. Alternativ können auch Familienangehörige einbezogen werden, etwa durch Schenkungen oder Darlehen.

Praxistipp: Eigenkapitalquellen erschließen

  • Bestehende Kapitalanlagen (Aktien, Fonds, ETFs) strategisch und steuergünstig liquidieren
  • Vorhandene Bausparverträge zuteilungsreif machen und einsetzen
  • Familieninterne Unterstützung rechtssicher gestalten (Schenkungsvertrag, Darlehensvertrag)
  • Steuervorteile nutzen, z.B. den Steuerfreibetrag für Schenkungen (400.000 € pro Kind über 10 Jahre)

Strategie 2: Die optimale Zinsbindung finden

Die Wahl der richtigen Zinsbindungsfrist ist im aktuellen Umfeld besonders knifflig. Während in der Niedrigzinsphase lange Bindungen fast immer vorteilhaft waren, ist die Situation heute komplexer.

Aktuelle Zinssätze nach Bindungsdauer (Stand September 2023):

  • 5 Jahre: ca. 3,3 - 3,7%
  • 10 Jahre: ca. 3,5 - 3,9%
  • 15 Jahre: ca. 3,7 - 4,1%
  • 20 Jahre: ca. 3,8 - 4,3%
  • 30 Jahre: ca. 4,0 - 4,5%

Die Entscheidung über die Zinsbindung sollte von Ihrer persönlichen Situation und Ihrer Einschätzung der künftigen Zinsentwicklung abhängen:

Längere Zinsbindung (15-30 Jahre) empfiehlt sich für:

  • Käufer mit knapper Finanzierung und geringem finanziellen Spielraum
  • Personen, die absolute Planungssicherheit benötigen
  • Käufer, die von weiter steigenden Zinsen ausgehen

Kürzere Zinsbindung (5-10 Jahre) kann sinnvoll sein für:

  • Käufer mit solidem Eigenkapital und finanziellen Reserven
  • Personen, die von mittelfristig wieder sinkenden Zinsen ausgehen
  • Käufer, die eine hohe Tilgung anstreben und den Kredit schnell zurückzahlen wollen

Eine interessante Option ist auch die Kombination verschiedener Laufzeiten durch eine Aufteilung des Darlehens. So können Sie beispielsweise 70% mit langer und 30% mit kürzerer Bindung finanzieren, um Sicherheit und Flexibilität zu verbinden.

Strategie 3: Tilgungsstruktur optimieren

Die Höhe der anfänglichen Tilgung hat einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtkosten und die Laufzeit Ihrer Finanzierung. Im aktuellen Zinsumfeld gewinnt eine hohe Tilgung an Bedeutung.

Vorteile einer höheren Tilgung:

  • Schnellerer Schuldenabbau und kürzere Gesamtlaufzeit
  • Geringere Gesamtzinsbelastung über die Kreditlaufzeit
  • Bessere Verhandlungsposition bei der Anschlussfinanzierung

Als Faustregel gilt: Die anfängliche Tilgung sollte mindestens 2% betragen, besser noch 3% oder mehr. Bei einer Finanzierung über 300.000 € mit 3,7% Zinsen und 3% Tilgung beträgt die monatliche Rate etwa 1.675 €. Der Kredit wäre nach etwa 25 Jahren vollständig getilgt.

Besonders empfehlenswert sind Darlehen mit Tilgungssatzwechseloption. Diese geben Ihnen die Möglichkeit, die Tilgung während der Laufzeit flexibel anzupassen – etwa wenn sich Ihr Einkommen erhöht oder unvorhergesehene finanzielle Belastungen auftreten.

Strategie 4: Fördermittel nutzen

In Zeiten hoher Marktzinsen gewinnen öffentliche Förderprogramme an Attraktivität. Die KfW und die Landesförderbanken bieten zinsgünstige Darlehen und Zuschüsse, die Ihre Finanzierung deutlich verbessern können.

Wichtige aktuelle Förderprogramme:

KfW-Wohneigentumsprogramm (124)

  • Für den Kauf oder Bau von selbstgenutztem Wohneigentum
  • Zinsvergünstigung gegenüber Marktniveau
  • Maximale Darlehenssumme: 100.000 €

KfW-Programm "Klimafreundlicher Neubau" (297)

  • Für energieeffiziente Neubauten nach dem Standard "Effizienzhaus 40"
  • Zinsgünstiges Darlehen bis zu 150.000 € pro Wohneinheit
  • Tilgungszuschuss von 5% (zusätzlich 5% bei Erreichen des Nachhaltigkeits-Siegels)

Wohneigentumsprogramme der Bundesländer

  • Je nach Bundesland unterschiedliche Förderungen für Familien und Einzelpersonen
  • Zinsvergünstigungen, Tilgungszuschüsse oder direkte Zuschüsse
  • Oft mit Einkommensgrenzen und speziellen Anforderungen

Die Kombination aus Bankdarlehen und Fördermitteln kann den effektiven Zinssatz Ihrer Gesamtfinanzierung deutlich senken. Wichtig ist, sich frühzeitig über die Fördermöglichkeiten zu informieren und die Anträge rechtzeitig zu stellen – meist vor Beginn des Vorhabens.

Strategie 5: Forward-Darlehen für die Anschlussfinanzierung

Steht in den nächsten 12-60 Monaten eine Anschlussfinanzierung an, können Sie sich mit einem Forward-Darlehen bereits heute die aktuellen Zinsen sichern. Zwar verlangen die Banken für diese Planungssicherheit einen Zinsaufschlag von etwa 0,01-0,03% pro Monat Vorlaufzeit, dies kann sich aber bei steigenden Zinsen schnell rechnen.

Beispielrechnung Forward-Darlehen:

  • Restschuld bei Ablauf der Zinsbindung: 200.000 €
  • Aktuelle Konditionen für Anschlussfinanzierung: 3,7% bei 10 Jahren Bindung
  • Forward-Aufschlag bei 24 Monaten Vorlauf: ca. 0,5%
  • Gesicherter Forward-Zinssatz: 4,2%

Das Forward-Darlehen lohnt sich in diesem Beispiel, wenn die Zinsen bis zum Zeitpunkt der Anschlussfinanzierung um mehr als 0,5 Prozentpunkte steigen. Angesichts der aktuellen Unsicherheit am Zinsmarkt kann diese Absicherung sinnvoll sein, besonders wenn Ihre Finanzierung wenig Spielraum für höhere Raten bietet.

Strategie 6: Baufinanzierung im Bankenvergleich optimieren

In Zeiten höherer Zinsen werden die Unterschiede zwischen den Kreditangeboten verschiedener Banken bedeutsamer. Die Zinsdifferenz zwischen dem günstigsten und dem teuersten Anbieter kann durchaus 0,5 Prozentpunkte oder mehr betragen – bei einem Darlehen über 300.000 € macht das einen Unterschied von 15.000 € über 10 Jahre.

Ein systematischer Vergleich verschiedener Anbieter ist daher unverzichtbar:

  • Traditionelle Banken (Filialbanken, Sparkassen, Volksbanken)
  • Direktbanken mit spezialisierten Baufinanzierungsangeboten
  • Bausparkassen mit kombinierten Angeboten
  • Versicherungen, die Hypothekendarlehen anbieten
  • Regionale Förderbanken mit speziellen Programmen

Neben dem reinen Zinssatz sollten Sie auch auf die Nebenkonditionen achten:

  • Möglichkeit von Sondertilgungen ohne Vorfälligkeitsentschädigung
  • Optionen zur Tilgungsanpassung während der Laufzeit
  • Bereitstellungszinsen und -fristen
  • Möglichkeit zur Darlehensübertragung bei Verkauf
  • Kosten für Grundschuldeintragung und -verwaltung

Die Unterstützung durch einen unabhängigen Finanzierungsberater oder -vermittler kann sich hier schnell auszahlen. Diese kennen den Markt und können maßgeschneiderte Lösungen aus einem breiten Anbieterspektrum zusammenstellen.

Fallbeispiel: Optimale Finanzierung für eine Familie

Um die verschiedenen Strategien zu veranschaulichen, betrachten wir ein konkretes Beispiel:

Ausgangssituation:

  • Familie mit zwei Kindern
  • Kaufpreis für Einfamilienhaus: 550.000 €
  • Verfügbares Eigenkapital: 110.000 €
  • Haushaltsnettoeinkommen: 5.800 € monatlich
  • Gewünschte Wohnlage: Randgebiet von München

Optimierte Finanzierungsstrategie:

  1. Eigenkapitalerhöhung: Unterstützung durch Eltern in Form einer Schenkung von 50.000 € → Eigenkapital steigt auf 160.000 € (29%)
  2. Hauptdarlehen: 350.000 € mit 15 Jahren Zinsbindung zu 3,6%, Tilgung 2,5% → Rate: 1.775 € monatlich
  3. KfW-Ergänzungskredit: 40.000 € aus dem Programm 124 zu 3,1%, Tilgung 3,5% → Rate: 220 € monatlich
  4. Gesamtrate: 1.995 € monatlich (34% des Nettoeinkommens)
  5. Besonderheiten: Option zur Tilgungsanpassung nach 5 Jahren, Sondertilgungsrecht 5% jährlich ohne Aufpreis

Diese Struktur bietet der Familie ein gutes Gleichgewicht aus Sicherheit durch die lange Zinsbindung, Flexibilität durch Anpassungsoptionen und Wirtschaftlichkeit durch die Nutzung von Fördermitteln. Die monatliche Belastung ist mit 34% des Nettoeinkommens nachhaltig tragbar.

Fazit: Strategisches Vorgehen zahlt sich aus

Das veränderte Zinsumfeld erfordert ein Umdenken bei der Immobilienfinanzierung. Die Zeiten, in denen man fast blind finanzieren konnte und dennoch günstig fuhr, sind vorbei. Heute sind strategisches Vorgehen, sorgfältige Planung und die Kombination verschiedener Finanzierungsbausteine der Schlüssel zum Erfolg.

Besonders wichtig ist, die Finanzierung nicht nur an den aktuellen Möglichkeiten auszurichten, sondern auch künftige Entwicklungen einzubeziehen. Dazu gehören potenzielle Einkommensveränderungen, familiäre Pläne und die persönliche Risikobereitschaft.

Mit den vorgestellten Strategien können Sie auch im aktuellen Zinsumfeld eine solide und nachhaltig tragfähige Finanzierung gestalten. Der höhere Planungsaufwand lohnt sich – schließlich geht es um eine der wichtigsten finanziellen Entscheidungen Ihres Lebens.